Das Vermeintliche und das Verschwundene
In der malerischen Arbeit Stephan Kaluzas geht es in der Serie „Transit“ zumeist um Abbildungen der Natur, in hyperrealistischen Darstellungen (Öl auf Leinwand).
Ein vermeintliches Idyll wird malerisch konstruiert, denn nicht alles in diesen Bildern ist reine Natur – Störungen schleichen sich ein, der Schein trügt. Einen Wald, eine Wasseroberfläche gibt es so nicht; Kaluza erfindet quasi auch die „biologische“ Zusammensetzung dieser Bilder, die beim Betrachter durchaus den Anschein des Beiläufigen und Willkürlichen erwecken. Nur sind sie als durchdachte Konstruktionen alles andere als das.
So erhalten diese Bilder eine zweite Ebene – die ostentative Schönheit der Natur im Nunc Stans, im zeitlosen Jetzt, wird eine hinterfragbare. Diesen Gedanken überträgt Kaluza auch auf sehr persönliche Reminiszenzen; u.a. malte er eine Brandung an der brasilianischen Küste, in der er einige Jahre zuvor beinahe ertrunken wäre. Die zweite, hintergründige Ebene dieser Bilder ist also, wenn man so will, eigentlich die erste; es geht hier weniger um das Abmalen des Sichtbaren, als um das Erkunden dessen, was sich hinter der Kraft der Natur verbirgt und somit besonders um die zentrale Frage: Was ist Schöpfung?
Wie bereits in einer parallelen Serie, „The Disappeared“, werden auch diese Bilder seriell aufgefasst. Der Malerei wird die Farbe genommen, die Gemälde scheinen zunehmend zu verblassen. Am Ende eines solchen Prozesses steht eine nahezu weiße Fläche, das Nichts. Dieser Ansatz versteht sich kritisch als Hinweis auf menschliche Eingriffe in die Natur. Denn sie ist weder eine Konstante, noch ist sie ewig; die Malerei Kaluzas zeigt sie eher als fragil, als zerstörbar und hilflos. Aus diesem Grund inspirierten Kaluza ebenso Naturdarstellungen aus Spiel – und Dokumentarfilmen – eine Natur, die bereits eine artifizielle geworden und weitgehend von der Menschenwelt absorbiert ist.
Die extrem genaue Nachahmung auf zum Teil sehr großen Leinwänden versteht sich dabei nicht als Kopieren, sondern als ein Nach-Empfinden der Schöpfung, die auf diese Weise tiefer verstanden werden will; Malerei als Scouting, als Erkundung einer Welt, die uns (noch) umgibt.
Neben der Malerei erkundet Kaluza die Natur auch in fotografischer Weise: Während des Rheinprojektes ging der Künstler 1700 km am Ufer des Flusses entlang und schoss an die 50 000 Bilder, die er in der Folge zu einem langen Bildstreifen zusammensetzte, der den Rhein von der Quelle bis zur Mündung zeigte – eine Totalerfassung, die eine komplexe Landschaft für das menschliche Auge überhaupt erst erfahrbar machte. In der gleichen Weise hielt er einige Jahre später europäische Schlachtfelder und Orte einer unfassbar leidvollen Geschichte, wie z.B. Auschwitz und Buchenwald, fest. Auch hier, trotz der sichtbaren Schönheit der Natur, fungiert die zweite Ebene der Hinterfragung – was ist Schöpfung?
Stephan Kaluza
1964 in Bad Iburg geboren.
1986 - 1994 Studium an der FH Düsseldorf, Kunstakademie Düsseldorf, Heinrich-Heine Universität Düsseldorf
Lebt und arbeitet in Düsseldorf
Ausstellungen (Auswahl)
2021 Pushkin Museum St Petersburg (E)
2021 Ludwig Museum Koblenz (G mit Ingo Bracke)
2020 „Unruhig wandern“, Osthaus Museum Hagen (E)
2019 „Transit“ Ludwig Galerie Schloss Oberhausen (Kunstverein Oberhausen) (E)
2019 Kunstverein Xanten (G)
2018 Istanbul Modern, Istanbul (G)
2018 „Das Rheinprojekt“, Botschaft der Bundesrepublik Deutschland, Warschau (E)
2018 Sammlung der Ruhruniversität Bochum (FBZ) (G)
2018 Foundation Villa Vigoni, Como, It., Projektarbeit (E)
2018 „Demarkation/Transit“ Museum Ludwig, Koblenz (E)
2017 „Transit“ Bergerkirche, Düsseldorf (E/G mit Dieter Nuhr)
2017 „12-21“, ME Collectors Room/Stiftung Olbricht (G)
2017 Rosenhang Museum, Weilburg (G)
2016 „12-21“ Kunsthalle Düsseldorf (G)
2015 Palacete das Artes Rodin Bahia, Salvador, BR (E)
2015 „Das Rheinprojekt“, Goethe Institut, Salvador, BR (E)
2014 „Felder“, Goethe-Institut Paris (G)
2014 „Felder“, Goethe-Institut Toulouse (E)
2014 „Felder II“, Polnisches Institut Düsseldorf (E)
2014 „Abfolgen“, Neue Galerie Haus Beda, Bitburg (E)
2013 Salon der Gegenwart, Hamburg (E/G)
2013 Kunsthalle Dresden (E)